Kein Programm für verklemmte Zeitgenossen präsentiert der Wiener Kabarett Bernhard Ludwig seinen Fans. Doch die lieben ihn dafür und wissen, was in seinen Veranstaltungen auf sie zu kommt. Doch nicht alle Zuschauer sind langjährige Anhänger seines Seminar-Kabaretts. So gibt es doch immer wieder verdutzte Gesichter im Publikum.

 

Barbara Titze berichtete für das Reichenhaller Tagblatt vom 18.2.2011 von diesem Abend:

 

Bernhard Ludwig erklärt den Sex

 

Höchst vergnüglicher Abend im Magazin 4 –

Publikum gibt im Schutz der Dunkelheit gerne Auskunft

 

BAD REICHENHALL -  Ist Bernhard Ludwigs Programm nun Kabarett oder Seminar? Darüber war sich das Publikum des Magazins 4 bis zum Schluss nicht wirklich einig. Schwer zu unterscheiden, was war Ulk, was tatsächlich wissenschaftlich untermauerte, ernst zu nehmende Theorie? Es ging um nichts weniger als die Anleitung zum lustvollen Leben, die an diesem Abend einem aufgeschlossenen Publikum näher gebracht werden sollte.

Typisch für ein seriöses seminarwar die schlichte Ausstattung mit Tisch, Flipchart und Wasserglas. Eher untypisch dagegen das ausgelassene Gelächter, das immer wieder durch den Saal hallte. Die Zuschauer waren zum Mitmachen aufgefordert.

Auf Zwischenapplaus während der Vorstellung verzichtete der Österreicher  ebenso wie auf Fotos. Dagegen waren Zurufe erlaubt und lautstarkes Äußern von Zustimmung oder Ablehnung durch Summen gefordert. Der Psychologe unterschied akribisch zwischen dezentem und emotional gefärbten, wildem Summen. Zur allgemeinen Heiterkeit wurde dies gleich einmal in einem „Eichgeräusch-Summen“ der Reichenhaller Männer geübt, denen dies erst nach mehreren Versuchen glückte. Die Frauen bewiesen wie so oft ihre rasche emotionale Auffassungsgabe und machten es auf Anhieb richtig. Und dann konnte es losgehen.

Welche Personen im Saal empfanden sich als Paare, welche als Singles? Welche Singles beneideten die Paare, welche Paare die Singles? Gefährlich, wenn einer der Partner summend seine Zustimmung gab und ihn der andere überrascht anblickte. Nachdem das Publikum gut mitarbeitete, konnte sich der Seminarleiter den zentralen Fragen des Abends widmen, wobei er zwischen seinen drei Kabarettprogrammen „Anleitung zum Herzinfarkt“, Anleitung zum Diätwahnsinn“ und „Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit“ hin- und herjonglierte. Dabei bedeutet Sexualität für jeden etwas anderes. Die heutige 90-er Generation kannte Sex „nur im Dunklen unter der Tuchert“. Die jetzt 60-Jährigen durften schon in die Sauna, sogar in die gemischte. Der heutigen Generation, aufgeklärt durch Pornos und Charlotte Roches „Feuchtgebiete“, macht dagegen keiner mehr etwas vor. Mitleid muss man mit den 15-Jährigen haben, die mangels eigener Erfahrung glauben, dass das, was in Büchern und Pornos dargestellt wird, der Realität entspricht. Dabei wären Pornos ja nur Männerfantasien, obwohl es bereits auch Frauenpornos gäbe („ist genau das Gleiche, nur die Wohnung ist netter eingerichtet“).

Für noch ärger als die Pornos hält Ludwig allerdings romantische Liebesfilme. „Frauen schauen das und sie glauben das.“ Sexualität ist laut Ludwig individuell, jeder hat „seinen eigenen persönlichen sexuellen Fingerabdruck“, geprägt durch Gene, Erziehung und Erfahrung. Eines ist aber allen gemeinsam: „Sexuelle Unzufriedenheit ist das Ergebnis von Erwartetem dividiert durch Erreichtes.“

Die Fragen an das Publikum sind konkret, das Publikum summt in der dämmrigen Beinahe-Anonymität bereitwillig seine Antworten, etwa wenn es um die Häufigkeit sexueller Höhepunkte geht, mit dem Partner, ohne Partner oder auch mit einem fremden Partner. Männer, so ist der Kabarettist überzeugt, haben es nicht leicht, herauszufinden, was Frauen wollen. Selbst Freud soll gefragt haben, „Was will das Weib?“, um am Ende seines Lebens resigniert festzustellen: „Ich weiß es nicht.“ Ludwig dazu: „Der Sigi hat sich nicht echt auskennt.“

Frauen wollen Partner auf Augenhöhe, Männer haben dieses heikle Problem nicht, die begnügen sich gerne mal „mit einer pflegeleichten Tussi“. Frauen erwarten, dass Männer sich ändern, tatsächlich ändert sich höchstens deren Spielzeug: Es wird teurer.

Ludwig sinniert über das bemerkenswerte Verhalten der Frauen auf öffentlichen Toiletten, über die schädlichen Wirkungen von Alkohol und Zigaretten vor allem auf Frauen, über apfel- und birnenförmige Körperformen, und er verrät, wie man innerhalb von drei Monaten von der Größe XXL auf M-L schrumpft: Als Erstes die Waage wegschmeißen („die Übergewichtigen sind die am besten gewogenen Menschen“), dann eine Blickdiagnose vor dem Spiegel („wenn das Ausziehen noch nicht reicht, bewegen Sie sich“) und schließlich jeden zweiten Tag fasten – das ist das höchst einfache Konzept.

Die räumliche Trennung von Männern und Frauen sorgt nach der Pause für Heiterkeit und dafür, dass jeder mit ehrlicher Überzeugung auch bei noch so intimen Fragen laut mitsummen kann.

Es geht ans Eingemachte, ohne falsche Scham und mit zutreffenden, offenen, manchmal derben Worten. Da kämpft der Mann mit seinen nächtlichen Erektionen, die bei Jungverliebten noch spontane Umarmungen zur Folge haben, im Laufe der Jahre aber zu ihrer schlaftrunkenen Bemerkung führen: „Wegen dem Blödsinn brauchst mich nimmer wecken.“ Ludwig bringt es auf den Punkt: „Nur weil er steht, ist noch gar nichts erledigt.“ Er empfiehlt seinen Leidensgenossen abzunehmen („wenn der Bauch kleiner wird, schaut er größer aus“), schlägt den Frauen Beckenbodengymnastik zur Unterstützung seiner Bemühungen vor und gibt für beide Seiten praktische Tipps zur Bewältigung von Schwierigkeiten beim Oralverkehr.

Er nimmt die Angst vor Bakterien, findet heraus, welche verbalen Aufforderungen sexuell stimulierend wirken können und vergleicht höchst anschaulich männliche Körpersäfte mit der Konsistenz einen rohen Eis, in warmes Wasser eingerührt. Er macht Vorschläge, die die einen lustig, die anderen eklig finden, nennt Unaussprechliches beim Namen und erntet riesigen Beifall.

Am Ende ist das Publikum beschwingt und erheitert, um einige Erkenntnisse und manche neue Idee reicher, und willens, das Gelernte auch gleich umzusetzen. Der Psychologe hat angekündigt, im Sommer vielleicht wiederkommen zu wollen. Gut zu wissen für alle, die noch nicht genug von seinen Seminaren haben oder die Umsetzung im Alltag doch etwas schwierig finden. Da kann man sich dann Nachhilfestunden holen.