Im Reichenhaller Tagblatt vom 19. April 2012 berichtete Katharina Stockhammer über das Konzert:alt


Musik von der Grünen Insel mit Anekdoten gewürzt

„Stokes“ bringen irisches Flair ins Magazin 4 – Traditioneller

Folk mit Liebe inszeniert

BAD REICHENHALL – In Bayern herrscht ein strenges Rauchverbot in öffentlichen Lokalen und vielerorts wird deshalb der Untergang der Kneipenkultur prognostiziert. Doch wer braucht schon ein verrauchtes Wirtshaus? Dass gute Laune nicht vom Vernebelungszustand einer Lokalität abhängt, davon kann man sich im Magazin 4 überzeugen. Bestes Beispiel hierfür ist der Konzertabend der irisch-deutschen Folkgruppe „Stokes“: Mit „Guinness“ für Bierliebhaber und mit viel traditioneller irischer Volksmusik für die Folk-Fans herrscht von Anfang an eine blendende Stimmung, ganz ohne Rauch.

Nach vier Jahren Abstinenz ist die Band aus Borken im Münsterland wieder in der Salinenstadt zu Gast. Kevin Sheahan, irischer Sänger mit einem immensen Stimmvolumen und versierter Gitarrist und Jörg Gleba, sein deutscher Kollege an Banjo und Mandoline konnten die Reichenhaller damals bereits kennen lernen, neu dabei ist Roland Noack an den verschiedensten Flöten. Er kam für Ariane Böker zur Gruppe, die auch die „Fiddle“ spielte. Es ist lediglich ein kleiner Wermutstropfen, wenn dieses Instrument diesmal fehlt, das Trio macht das Manko mit einem engagierten musikalischen Vortrag und humorvoller Unterhaltung locker wett. Bei „Banks of the Roses“ räumt die Band gleich mit dem weit verbreiteten Vorurteil auf, „dass die Iren nur ans Saufen denken“. Es gibt nämlich viel mehr irische Liebes- als Trinklieder, meint Kevin. „Banks“ ist bloß „zufällig“ ein Liebeslied, das vom Trinken handelt… Sei’s drum: ein gelungener Einstieg in einen Irish-Folk-Abend ist es allemal. Schon beim nächsten Stück ist klar, das Publikum soll seinen Beitrag leisten, um die Stimmung auf „Irish-Pub-Level“ zu bringen. Es darf geklatscht werden, und der 2/4-Takt von „Lord of the Dance“ ist einfach zu halten, obgleich es zum Schluss recht rasant wird. Die Zuhörer wissen es zu schätzen, wenn sie nicht allzu still sitzen müssen. Dass der Walzer nicht in Österreich, sondern in Irland seinen Ursprung hat, erklären die Stokes folgendermaßen: Irische Musiker haben seit jeher wenig verdient, spielten in den Pubs fast umsonst und mussten oftmals sogar die Getränke selbst zahlen. Vom gängigen 4/4-Takt haben sie deshalb immer wieder mal ein Viertel eingespart, dann brauchten sie zumindest nicht so viel arbeiten. „Do you love an Apple“ hat also nur einen Takt aus drei Vierteln. Da im Barraum alle vorhandenen Stühle besetzt sind und somit keine Tanzfläche zur Verfügung steht, kann zwar kein Walzer gedreht werden, doch gemeinsames Schunkeln ist eine kräfteschonende Alternative.

Obwohl die Stokes ihr Programm aus Leidenschaft „traditionell“ und mit viel Liebe zum Detail arrangieren, ist es zu keinem Zeitpunkt „altbacken“. Die witzigen Erläuterungen zu den Titeln bringen zusätzlichen Spaß in das Konzert. Jörg Gleba erzählt jetzt von einem Mann, der am Abend zu seiner Geliebten reitet und am Morgen zurückkehrt. „The Night Visiting Song“ handelt davon, was die beiden dazwischen gemacht haben: „Es ist ein sehr kurzes Lied“, meint er trocken. Kevin Sheahan singt es dennoch mit viel Schmelz in seiner gefühlvollen, typisch irischen Stimmlage und macht damit Seán Cannon von der Dubliners durchaus Konkurrenz. Cannon und seine Band haben unverkennbar einen großen Einfluss auf den Musikstil der Stokes, die trotzdem zu keinem Zeitpunkt auf eine persönliche Note verzichten. Wunderschön interpretiert wird das nordirische Kinderlied „I’ll Tell Me Ma“ und das romantische, auf gälisch gesungene „Mho Ghile Mear“, das aus dem 18. Jahrhundert stammt. Beim „Rattling Bog“ will Kevin „alles geben“, auch wenn sein Kumpel Jörg netterweise meint „das ist nicht viel, aber er strengt sich an“. Erstaunlich schnell muss der Ire nun über „das Moor unten im Tal“ singen, und fast hört es sich an wie ein Jodler. Die Gäste klatschen enthusiastisch mit, Anfeuerungsrufe puschen den Sänger zusätzlich.

„Finnagan’s Wake“ handelt von einer irischen Beerdigungszeremonie. Bei dieser wird reichlich „Lebenswasser“, Whiskey, getrunken. Eine Rauferei beginnt, jeder gegen jeden, die Flasche fliegt durch das Aufbahrungszimmer und an den Kopf des Verblichenen. Drei Tropfen Whiskey gelangen so an die Lippen des Toten Tim Finnagan, der davon wieder zum Leben erwacht. Ob diese Geschichte gar nur eine Mär ist? Egal, es ist ein guter Stoff für eine flotte Hymne an die Nation von der Grünen Insel. Gälisch besingt Kevin den jungen und schönen „Bean Phaídin“. Roland Noack spielt dazu auf der Bodhrán wie einst Christy Moore von der Kultband „Planxty“. Zum Gedenken Barney McKenna von den Dubliners, der Anfang April verstorben ist, widmet Jörg Gleba sein Banjo-Solo dem lange Zeit letzten lebenden Gründungsmitglied dieser legendären Folkband. Danach gibt es, sehr zur Freude des Publikums, als krönenden Abschluss „Whiskey in the Jar“.

Kräftiger Applaus holt das Trio nochmals zurück auf die Bühne. „Wild Rover“, jeder kann es mitsingen und –klatschen, „Molly Malone“, das viele Zuhörer ebenfalls textsicher beherrschen und – a-cappella gesungen – „Hanging on the old barbed wire“(ein Spottlied auf die britische Armee) lassen ein mitreißendes Konzert stimmungsvoll ausklingen.

 

 

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