Ein weiteres Highlight aus unserer Reihe „Boarisch gschriem – boarisch gredt“ präsentierte uns der Münchner Schauspieler Bernhard Butz. Im Reichenhaller Tagblatt vom 20. März 2012 berichtete Gustav Starzmann über die Lesung:

 

Georg Queri aus der Vergessenheit geholt

Eine vergnügliche und doch lehrreiche Lesung mit Musik

im Magazin 4

BAD REICHENHALL - Einen Abend mit Lustigem und Unbekanntem von dem und über den Journalisten, Schriftsteller und Volkskundler Georg Queri haben der Münchner Schauspieler Bernhard Butz und der mit vielen Preisen bekannt gewordene Ziachspieler Quirin Scheurl aus Inzell  im Magazin 4 in der Alten Saline in Bad Reichenhall gestaltet und dafür viel Beifall geerntet.

Eigentlich war es ja längst polizeilich verboten, was der Münchner Schauspieler Bernhard Butz im Magazin 4 dargeboten hat. Von der Zensur verboten war es,  das Buch „Kraftbayrisch“ von Georg Queri und wurde beim Verlag  und soweit man der Auflage habhaft werden konnte, auch aus allen Buchhandlungen beseitigt und beschlagnahmt.

 

Das war allerdings vor rund einhundert Jahren, klärte Bernhard Butz seine Zuhörer auf, als der „Zensurbeirat“ bei der Polizeidirektion München das Buch mit seiner Sammlung und Erläuterung „der erotischen und skatologischen [stinkenden] Redensarten der Altbayern“ für „recht ordinär“, oder einfach nur „ekelhaft“ und „eine pornographische Spekulation“ gehalten hatte. Vor Gericht allerdings hatte sogar im prüden Jahr 1912 die polizeiliche Konfiskation keinen Bestand, denn keine geringeren Sachverständigen als Ludwig Thoma und Ludwig Ganghofer bezeichneten das Lexikon der von Queri gesammelten altbairischen Kraftausdrücke als „volkskundlich außerordentlich wertvoll“ und „als eine...sehr nützliche Ergänzung des Schmeller´schen Wörterbuchs der bayrischen Sprache“. Die Meinung des Professors Dr. Hofmiller, der „lauter Sauereien“ in dem Buch sah, unterlag beim Gericht, obgleich sich Queri nicht scheute unverblümt auf altbairisch auszudrücken, was Mann und Frau unterscheidet oder auch intensiv zusammenbringt.

 

Dass es sich nur oberflächlich um „Sauereien“ handeln konnte, hinter denen aber volkskundlich wichtige Aufzeichnungen Georg Queris stecken, der das damals vom Volk gesprochene Bairisch mit seinen Kraftausdrücken festgehalten hat, davon konnten sich die Zuhörer im Magazin mit Vergnügen und bei musikalischer Begleitung selbst überzeugen. Starker Tobak, der in die Starkbierzeit paßt war jedenfalls geboten und Grundkenntnisse der bairischen Sprache waren natürlich auch vorausgesetzt.

 

Butz zeigte auf, dass sich Queri unbestritten verdient gemacht hat mit seiner Erforschung und Darstellung des einige Zeit in Altbayern, insbesondere im Oberland beheimateten „Haberfeldtreibens“, dessen Herkunft und wirkliche Bedeutung bis heute nicht endgültig geklärt sind. Queri hat die Texte dieses Rügebrauchtums, das ab und an auch heute immer wieder einmal auftaucht (man denke nur an das Treiben gegen den Präsidenten des Bayrischen Bauernverbandes Gerd Sonnleitner in allerjüngster Zeit) in den Polizeiakten im Staatsarchiv München gewissenhaft studiert, veröffentlicht und dazu im passenden Stil ein eigenes Lied  geschrieben, mit dem er die gekünstelte Sprache der salon-bairischen Schriftsteller scharf angriff.

 

Die Herausgabe der ersten Anthologie der bairischen Literatur vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert zusammen mit Ludwig Thoma ist ebenfalls Queris Verdienst; sie gilt bis heute als eine der wichtigsten, einen qualitätvollen Überblick über die bairische Literatur bietende Sammlung.

 

Butz rezitierte mit Verve und schauspielerischem Können aus Dichtungen und Erzählungen Queris wie zum Beispiel aus der spöttelnden Geschichte über die „Freiwillige Feuerwehr von Polykarpszell“  oder aus einer ganzen Reihe deftiger, sich vor allem über Bauern, Beamte, Lehrer und Pfarrer lustig machenden Schnaderhüpfl und Spottgedichte. Auch Oskar Maria Graf war offensichtlich von der Thematik der Gaudi Queris angetan, denn nicht nur eine von Grafs Schnurren im „Bayerischen Dekameron“ bezieht sich  eindeutig auf  Vorlagen in Queris Erzählungen. Den berühmt gewordenen „Hirnpecker“ trug Butz in Queris Fassung vor.

 

Vieles  aus dem Leben und Werk des zeitweilig sehr umstrittenen bayrischen Schriftstellers Queri aus Starnberg hat Bernhard Butz als authentischer Sprecher  in unverfälschter, Münchner Mundart erläutert und vorgelesen. Georg Queri wurde sozusagen an diesem Abend aus der Vergessenheit geholt. Die Zuhörer waren vom Vortrag Bernhard Butz´, der durch seine Auftritte und als Ensemblemitglied bei der Iberl-Bühne in Solln sowie in Filmen und im Fernsehen bekannt wurde, begeistert und dankten mit langem Applaus für den   Inhalt, die Zusammenstellung und die Darstellung des Abends.

 

Die musikalische Begleitung hatte der überaus virtuose Ziach-Spieler Quirin Scheurl aus Inzell übernommen. Der junge Musikant, im „richtigen Leben“ ein Student, vermittelte mit seinen Interpretationen bekannter sowie auch weniger oft gehörter Musikstücke auf sehr vergnügliche Art den als lustig aber  auch als lehrreich zu bezeichnenden Inhalt des  Abends.  Kenner der echten bairischen Sprache und alle Menschen, die eine Freud´  am  originalen bayrischen Spaß und an unverfälschter, lebendiger bayrischer Musik haben, kamen voll auf ihre (im Magazin 4 ohnehin moderaten) Kosten. Die Veranstalter kündigten für den Herbst bereits die nächste Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Boarisch gschriem –boarisch gredt“  mit dem Mundartdichter und Münchener Turmschreiber Sepp Wittmann aus Tittmoning an. Man darf gespannt sein.