Bisher wurden wir von technischen Problemen weitestgehend verschont. Zumindest unsere Gäste merkten zumeist nichts davon. Beim Konzert von Balloon Pilot aus München gab es leider eine unfreiwillige Premiere: Kurz vor Beginn kam es zu einem Kurzschluss im Mischpult - nichts ging mehr. Doch Robert Lorenz, Hire-Parc-Chef und ein absoluter Könner seines Fachs, behielt die Nerven, schickte seinen Mitarbeiter los, um Ersatz zu besorgen und siehe da - das anschließende Konzert danach hörte sich ausgezeichnet an. Ganz so, als wäre nichts gewesen. Sie, liebe Gäste, die die 45-minütige Verzögerung relaxt und freundlich hingenommen haben, verdienen neben Robert ebenfalls einen Gelassenheitspreis!

Hier nun der Bericht von Brigitte Janoschka aus dem Reichenhaller Tagblatt vom 28.3.2013

Fünf junge Männer betrachten mit ihrem Indie-Pop die Welt von oben

"Balloon Pilot" begeisterte das Publikum im Magazin 4

BAD REICHENHALL - Was bisher im Magazin 4 noch nie passiert war, damit mussten sich die Mitarbeiter dieser beliebten Kulturstätte am Samstagabend auseinandersetzen. Kurz vor der Veranstaltung fiel das Mischpult aus und musste ersetzt werden, was relativ schnell – aber natürlich nicht termingerecht – gelang. Die Musiker der jungen, aber musikalisch sehr erfahrenen Band zeigten volle Anerkennung für die Flexibilität der Veranstalter und stiegen später als geplant, aber entspannt in ihr Programm ein. “Balloon Pilot“, seit einiger Zeit der neue Name der Band, ist Programm.

Als Piloten ihres Ballons überlassen sie sich einerseits den atmosphärischen Strömungen, wenn sie sich treiben lassen, andererseits betrachten sie die Welt von oben - mit einem gewissen kritischen Abstand. Viele ihrer Stücke beginnen mit leisen, melancholischen Tönen, die später im Rausch der Klänge ertrinken. Denn was den Musikern von “Balloon Pilot“ wichtig ist, das sind Gefühle, die sie in Musik ausdrücken. Aber mit einem lauten Klangteppich – Relikt aus ihrer Punk-Rock-Zeit -, einem Klangbad, ja fast einem Sound-Gewitter,  das anschließend oft minutenlang auf die Fans niederprasselt, zerstören sie die zuvor aufgebaute Atmosphäre wieder und „entkitschen“ so ihre Aussage.

Die fünf jungen Männer musizieren seit der Schulzeit miteinander, sie sind hervorragend aufeinander eingespielt und singen manchmal als Backgroundchor mehrstimmig zur Melodie. Peter Gall spielte das Schlagzeug, sehr professionell, sehr kreativ, jedoch war er an diesem Abend leider nur eine Aushilfe. Er sorgte nicht nur für den Rhythmus, sondern produzierte mit seinen Sticks und den Becken oder der Trommel mit verschiedenen Schlagtechniken ganz unterschiedliche Klänge zur Untermalung der Aussagen in den Liedern. Christian Radi Radojewski, Mathematiklehrer und Schulpsychologe, spielte eine sehr einfühlsame, romantisch-poetische Rhythmusgitarre, während Benjamin Schäfer zuverlässig die Bassgitarre zupfte. Für die Tasten ist Tobi Koark-Haberl  zuständig, der Keyboard, Wurlitzer-Orgel und Melodika zum Klingen brachte. Weil er an mehreren Instrumenten gleichzeitig zu Gange war, klemmte er Zigaretten zwischen die Tasten, um die Töne aushalten zu können – die Finger brauchte er ja für die Regulierungsknöpfe zur Tongestaltung. Gesang, begleitet von seiner Akustikgitarre, kam von Bandleader Matze Brustmann, der auch für Text und Musik verantwortlich und durch und durch ein Poet ist.

Was er in seinen englischen Liedern zu sagen hat, kleidet er in fantasievolle Metaphern. So sorgt allein schon sein Sprachstil für eine mehrdimensionale Tiefe. Seine Lieder enthalten kritische Gedanken über gesellschaftlich problematische Situationen („Bargain Street“) bis hin zu Umweltschutz („Insecure“) oder zu persönlichen oder philosophischen Problemen. Diese Kritik ist aber weit entfernt von derjenigen, die in Protestsongs zu finden ist.

„Lass dich nicht dazu drängen, etwas zu kaufen, das du ohnehin nicht brauchst, weil du in dem Berg von Billigkram ertrinkst“, singt er übersetzt, und „tu nicht alles, was ‚sie‘ dir befehlen“ („They’ll make you jump to their commands“). „Blame it on the rain“ (Schieb es auf den Regen), wenn dir etwas nicht gelungen ist. „Just another tale“ erzählt von einer Wahrheit, die auf dem Boden kriecht, von einem Menschen, dem poetischen Ich, der nicht auf die Liebe wartet („I’m not holding the line“), wenn sie käuflich ist. Und in „Chasing games“ blickt der Sänger auf gute Tage zurück, die er in den Ausguss spülte („…flushing the good days down the drain“). In „Illusions Day“ besingt er, wie er den Tag nach einer wahrscheinlich durchzechten Nacht wahrnimmt.

Manchmal ist sein Tag wertlos und passt in eine Flasche für 50 Cent („50 Cent Day“). Dann wieder baut er Brücken in die Landschaft, nur um sie wieder abzubrennen, wenn auch mit weiser Vorsicht („Prudence“). Und in „The Perfume“ sucht er seine Geliebte in seinem Herzen wie eine Nadel im Heu.

Der Kreis schließt sich mit „Slipping through the Backdoor“, in dem er sich auch wieder damit auseinandersetzt, dass es ihm nicht gelungen ist, irgendwelchen Erwartungen zu entsprechen, die „sie“ – ein irgendwie geartetes Umfeld – an ihn stellen. Aber er hat die Lösung schon gefunden: “Ich brauche Flügel, und wir kümmern uns nicht im geringsten um das, was sie von uns verlangen, weil sie uns gehen lassen würden, wenn sie wüssten, was wir schon wissen, wenn wir schweben.“ Und da ist es wieder, ihr Thema und Programm, nämlich im Ballon (oder mit Flügeln) zu schweben, und durch den Abstand zu den Dingen mehr zu wissen als die anderen. Ihre CD ist unter Millaphon, dem Label von Mehmet Scholl, erschienen.

Die Band „Balloon Pilot“ bot mit ihrer Musik gute anspruchsvolle Unterhaltung. Die leider wenig zahlreich erschienen Besucher dankten es ihnen mit begeistertem Applaus.

(Anmerkung: Kursiv gedruckte Passagen wurden in der Zeitung nicht abgedruckt, sie stammen vom Originaltext der Autorin).

Weitere Infos zur Band unter www.balloon-pilot.de

Die nachfolgenden Fotos stammen von Michael Scheurl.