Im Reichenhaller Tagblatt vom 14. März 2014 erschien der Konzertbericht von Katharina Stockhammer. Nicht nur sie ließ sich vom Schwung der beiden Musiker mitreißen. Die Stimmung im Publikum war wirklich ausgelassen - es gab Ende der erfreulich gut besuchten Veranstaltung viele heitere Gesichter.

Stehende Ovationen für Zwingenberger und Reber

Der „King of Boogie“ und sein kongenialer Juniorpartner gastierten im Kurgastzentrum

BAD REICHENHALL – Erhaben stehen ein Blüthner aus Leipzig und ein Steinway, vermutlich aus Hamburg, im Theater des Kurgastzentrums. Der Saal füllt sich zusehens und mit der Ruhe ist es für die beiden erwürdigen Flügel vorbei, als die beiden Hauptdarsteller des Abends, Axel Zwingenberger und Peter Reber die Bühne betreten. Und als die ersten Töne an den schwarz-weißen Tasten angeschlagen werden, merkt auch das überaus zahlreich erschienene Publikum, dass die „Schonzeit“ für die Instrumente um ist.

Das gemeinsame Konzert von Axel Zwingenberger, dem Großmeister der internationalen Boogie-Woogie-Szene und Lokalmatador Peter Reber stellt eine Premiere da. Bislang hatten beide Künstler gelegentlich zusammen auf Boogie-Festivals gespielt, einen abendfüllenden Auftritt im Doppelpack gab es jedoch noch nie.

Ganz im Stile der legendären Pianisten und Boogie-Komponisten Albert Ammons und Pete Johnson starten die beiden Protagonisten furios zu einem „Salz-Stomp“, einer mitreißend flotten Improvisation von vier Händen an zwei Flügeln.

Geprobt wurde für dieses Konzertereignis nur einen Nachmittag lang, nämlich kurz vor dem Abendtermin in der Salinenstadt. Doch wenn ein Vollprofi der Extraklasse und ein begabter nebenberuflicher Musiker dieses Formats aufeinander treffen, reicht allein die Erfahrung aus, um aus den gemeinschaftlichen Stücken einen atemberaubenden Vortrag zu kreieren.

Nach diesem fetzigen Auftakt ist es Peter Reber, der sich zuerst als Solist präsentieren darf. Mit einem Titel aus dem Jahr 1928, also der Frühzeit des Boogie-Woogie, beginnt er seinen Part. Clarence „Pinetop“ Smith hat den Erfolg seines berühmten „Pinetop’s Boogie Woogie“ selbst nicht mehr erleben dürfen, wurde er seinerzeit unschuldig bei einer Schießerei in einem Tanzpalast getötet.

Aber diese Nummer ist ebenso für die Ewigkeit komponiert, wie die darauffolgenden Werke der „Big Three“ des Boogie, Ammons, Johnson und Meade Lux Lewis.

Eine erste kurze Verschnaufpause gibt’s für die Zuhörer beim Jazzstandard „Sunny Side of the Street“ und einem Blues von Jimmy Yancey. Immer wieder von spontanen Zwischenapplaus begleitet, sausen Rebers Finger wie von Geisterhand gesteuert über die Tasten, als wäre dies die einfachste Aufgabe der Welt.

Neben einer großen Portion Talent ist allerdings viel Fleiß gefordert, das stellt der einheimische Künstler in seiner Anmoderation für den „King of Boogie“ klar.

Peter Reber, der als Spross einer der bekanntesten Reichenhaller Familien in seiner Heimat schon lange nicht mehr vorgestellt werden muss, erzählt, wie ihn Axel Zwingenberger von klein auf begeistert hat. Selbst noch im jugendlichen Alter wurde der gebürtige Hamburger in den 1970er Jahren zum Vorbild vieler Nachwuchspianisten. „Er hat die Messlatte sehr hoch gelegt, aber auch dafür gesorgt, dass die nächste Generation voller Motivation stundenlang geübt hat“, verrät Reber.

Unter lautstarkem Beifall betritt nun Axel Zwingenberger das Podium. Extrem lässig kredenzt er sein „Long Lost Love“, einen geschmeidigen Blues. Schmissig wird es beim „Mamboogie“ und dem traditionellen „Suitcase Blues“.

„Dieser ‚Koffer-Song’ hat zwei Teile – einmal mit, einmal ohne Gepäckträger“, erläutert der Virtuose von der Waterkant. Und tatsächlich kann man hören, dass das sensationell gespielte Stück in der zweiten Hälfte noch etwas leichter, beschwingter klingt als zuvor.

Mit „Jump and Jive“ und „Boogie Woogie Be With Me“ gibt es erneut zwei Zwingenberger-Kompositionen, bevor es mit dem schnellen „Sixth Avenue Express“ kurzzeitig vereint mit Peter Reber, in die Pause geht.

Ein „Traditional“ aus New Orleans („Just a Closer Walk with Three“) und Pete Johnsons „Holler Stomp“ eröffnen den zweiten Teil von Peter Rebers Heimspiel. Danach schnappt er sich ein Mikrophon, das ihn jetzt bei zwei Gesangseinlagen unterstützt.

Die Moritat vom „Hintertupfer Bene“ haben die populären Münchner „Hot Dogs“ zu einem fixen Bestandteil des bayrischen Dixieland gemacht und so mancher im Saal schmettert textsicher mit bei der tragisch endenden Geschichte vom kammerfensterlnden Burschen in der „Odelgrube“. Bei „Kansas City her I come“ singt Peter Reber mit „bavarian english“ und lässt sich auch durch das oft recht unrhythmische Klatschen einiger Zuhörer, deren Hände im Überschwang nicht stillhalten können, keineswegs aus dem Takt werfen. Noch einmal wechseln sich die Musiker ab.

Nach dem „How Long Blues“, einem Stück der filigranen Töne, darf Axel Zwingenberger seinem Faible für alte Dampflokomotiven frönen. Denn der „Achtelbeat“ der Maschinen und der Takt des rollenden, stampfenden Boogie-Woogie sind durchaus kompatibel.

Als er seinen „Thundertrain“ ankündigt, beweist er zudem lokale Kenntnis, indem er diese Nummer dem nostalgischen „Dampfexpress“ von Prien nach Stock am Chiemsee zuordnet. Nach zwei Klassikern, „Bass Goin’Crazy“ und dem unverwüstlichen „St.-Louis-Blues“, bringt Zwingenberger den Saal endgültig zum Kochen. Man tut sich schwer, ruhig sitzen zu bleiben, wenn das Klavier-Genie sein nuancenreiches Spiel auf ekstatische Weise zelebriert.

In einem unglaublichen Tempo und einer faszinierenden Präzision flitzen die Finger mal forte, mal piano über die Tasten, vollbringen überraschende Rhythmuswechsel: Zu später Stunde setzt die Jazz-Ikone bei seinem „Boogie Du Printemps“ eine schier unerschöpfliche Energie frei und reißt das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hin.

Derart beflügelt, bestreiten Zwingenberger und Reber gemeinsam den Schlussakkord eines großartigen Konzerts. Nach „Nagasaki“ von Warren/Dixon und „The Sheik of Araby“ von Harry B. Smith gibt’s  zu Recht stehende Ovationen auf und als Zugabe vierhändig „The Higher We Jump“, eine der bekanntesten Zwingenberger-Nummern, komponiert mit Vince Weber.

Ein würdiger Abschluss nach drei Stunden höchster Musikalität und jeder Menge ungebremster Improvisationslaune zweier wunderbar harmonierender Künstler.

www.boogiewoogie.net